

Der
Chinesische Kiosk,
Galerie Näke Nürnberg 1994
Weitere Standorte in Berlin und Offenbach
Kiosk
(auch:...oßk; pers.-türk.-fr.-) der;-(e)s,-e: 1.
Verkaufshäuschen (für Zeitungen, Getränke
usw.). 2. orientalisches Gartenhäuschen. 3.
erkerartiger Vorbau vor den oberen Räumen
orientalischer Paläste
Die
Idee, einen Kiosk für meine Performances und Aktionen
zu bauen, kam mir während meiner Reisen in
Südamerika und Indien. Die oft winzigen Buden
übten eine magische Wirkung auf mich aus. Beim
Chiclete-Kiosk in Lima war es die oft liebevolle Bemalung,
bei den indischen Shops war es das powere, aber authentische
Angebot: eine Handvoll Räucherstäbchen, ein
anderer hatte ein paar Früchte. Jeder Kiosk zeugte von
der individuellen Art seines Betreibers und vor allem, er
verhalf seinem Betreiber zu einer bescheidenen Existenz.
Bei uns ist der Kiosk im Idealfall ein anrührend
antiquierter Orientierungspunkt im täglich wachsenden
Durcheinander. Wenn man regelmäßig kommt, liegt
die Lieblingszeitung und die persönliche
Zigarettenmarke schon bereit. Jeder bekommt vom altersweisen
Kioskmensch genau das, was er will und täglich
braucht.
Der Kiosk ist neben Haltepunkt auch Hilfepunkt. Die
Kiosk-Oma mit Überblick hilft anderen verwirrten
Senioren bei der Lebenspraxis, z.B. beim immer schwieriger
werdenden Zeitschriften-Auswählen und
Lotto-Schein-Ausfüllen. Manchmal rutscht der Kiosk in
seiner Bedeutung auch in die alte Exotik der orientalischen
Gartenhäuschen zurück. Es treffen sich dort die
Geschichtenerzähler, angefeuert vom Alkohol
erzählen sie sich gegenseitig vom Leben. Jeder
erzählt, kaum einer hört zu. Der Kiosk ist
Kommunikationsort der Erniedrigten und Verzweifelten.
Als
Künstler mache ich beim CHINESISCHEN KIOSK diese
Aspekte zu meinem Thema.
Mein Kiosk taucht mit mir drin an einem ungewöhnlichem
Ort auf und erfüllt die alten Funktionen und
Sehnsüchte: eine schnelle, kreative Hilfestellung
für die Vorbeieilenden im täglichen Kampf ums
Weiterleben. Er kann aber auch ein evtl. andauernder Trost
vom weisen Kiosk-Mann werden, wenn der Zettel zuhause ans
schwarze Brett kommt und manchmal wiederentdeckt wird. Er
ist dann "erkerartiger Vorbau vor den oberen Räumen der
Seele" und erfüllt damit Punkt 3 der obenstehenden
Lexikon-Definition.
Am
CHINESISCHEN KIOSK erhält der Besucher vom
Künstler eine mit dem Pinsel auf chinesisches
Opferpapier geschriebene Weisheit, von der der Künstler
(Meister) denkt, daß sie dem Gast zu Gesichte
steht.
Sara von Jan
Zurück
zur Startseite
|