Die
Perureise
Ein
Reisetagebuch von Harri
Schemm
Hier
auch als PDF-Datei zum Runterladen:
Schemm_Die_Perureise.pdf
(1,36 MB)
Lima
8.1.1995
Nach einem angenehmen Flug mit Air France, der
durch eine nette Reisebekanntschaft verkürzt
wurde, gut in Lima angekommen.
Der Reihe nach.
Johanna aus Deggendorf, eine Ärztin, saß
während des Fluges seit Paris neben mir. Sie
war knapp 40, recht hübsch; lange, lockige
dunkle Haare, lange schlanke Beine. Sie besucht
ihren Freund in Lima, will einige Zeit hier
bleiben, hat sich deshalb für 1 ½ Jahre
beurlauben lassen. Überpünktlich am 7.
angekommen, ca. 21 Uhr 15. Die Temperatur
beträgt 22 Grad Celsius, in Deutschland hatte
es -15 Grad. Abschied von Johanna.
Betty Stürmer und Fernando Bryce samt Vater,
Fernando Bryce Senior, erwarten mich. Große
Freude! Fahrt nach Miraflores zum Hotel in die
Calle Bolognese. Hier lieg ich gerade nach tiefem
Schlaf in bester Laune erwacht. Eben mit Fernando
telefoniert, will in ein billigeres Zimmer
umziehen. Oh je, das Geld! Beiseite damit!
Gestern zuerst ins Cafe Haiti, Limas
"Meisengeige".
Was für sexy Chicas doch vorbeiflanieren.
Leider soll das Limas einziges Viertel sein, in dem
das Dolce Vita in solch edler Weise stattfindet,
sagt Fernando. Die Altstadt soll indianisch
geprägt und von der Politik sehr
vernachlässigt sein (leerstehende Häuser,
Müllberge).
Also, wir sitzen im Cafe Haiti. Wie bestellt laufen
die Lieder, die wir in Berlin bei unserer
gemeinsamen Performance sangen: "Cielito Lindo" ,
"A Ya Nel Rancho Grande". Wir trinken Cerveza und
Pisco Sour. Dieses Cafe ist 60er Jahre, alte und
junge Leute sitzen hier, alte und junge
Mädchen. Auf drei Gäste ein Kellner.
Autos schießen ohne Unterlass vorbei,
erstaunlich moderne Wagen und Busse. Aber wie
gesagt, wir sind in einem Ausnahmeviertel.
Egal.
Euphorie erfasst mich. Allein die milde Luft
erinnert mich an San Francisco, wieder am Pazifik.
Dann passiert etwas Seltsames, wir treten wieder
auf die Straße - und es regnet! Ein
Sprühen wie von einem Rasensprinkler. Ich bin
2 Stunden in Lima und darf so eine Art Regen
erleben! Andere sind Jahre hier, ohne in den Genuss
dieses Naturphänomens zu kommen. Ich sehe es
als gutes Omen.Wir gehen noch in die Bodega neben
meinem Hotel, verliebte Paare in einem Patio.
Hier wurde ich unterbrochen, Fernando und Betty
sind da, wir beginnen den Sonntag. Zuerst mit dem
Taxi zu Fernandos Elternhaus, der Taxifahrer soll
auf die Rückseite des Hospital Larco Herrera
fahren, das scheint so eine Art Nervenklinik zu
sein, oder drastischer ausgedrückt ein
berühmtes Irrenhaus. Es ist jedenfalls eine
gute Gegend, die Cesar Vallejo 170, sehr
kalifornisch anmutende Häuser, mit Rasen und
gestutzten Hecken.
Dazwischen herrliche Blumen, unwirklich satte
Blüten, die Farben sind rico, reich,
schön, bezaubernd. Auch das Innere des Hauses
ist sehr - ich nenne es einfach mal - Americano
Pacifico. Nur der Vater ist zu Hause und liest
Zeitung.
Hier deponiere ich mein Flugticket, meine Schecks,
meinen Pass.
Es geht zum Strand, ein Börsenmakler und seine
Frau, die eine Galerie betreibt, haben zum
Mittagessen geladen. Wir fahren ca. 40 km
südlich auf der Pan Americana, vorbei an den
Siedlungen der Neuankömmlinge, auch an der
Siedlung San Salvator, deren Vorbildcharakter auch
mein Reiseführer abhandelt (Nobel-Preis
Nominierung). Eine Bekannte von Fernando arbeitet
dort als Sozialarbeiterin, wir könnten uns mal
umschauen. Dann Punta Hermosa, ein Ort am Strand,
eine Masse Sonntagsausflügler.
Betty kann es kaum fassen, wie viele Kids sich in
der Brandung tummeln (wie die Tümmler). Essen
bei Maklers, etwas seltsam, der Gastgeber scheint
verkatert, seine Frau Fernanda zeigt uns ihr
Hostal, es sieht von außen aus wie Jacht
(architektonisches Späßchen). Hat
kleinen Swimmingpool. Will für ihr bestes
Doppelzimmer 40 US Dollar. Schluck.
Vielleicht trotzdem 3 Tage dort wohnen, es gibt
jedenfalls Motive. Mit dem Mikro (ein Kleinbus)
zurück nach Lima, diesmal auf der alten
Straße. "JESUS IST MEIN COPILOT"
verkündet der Busfahrer mittels eines
Aufklebers an der Frontscheibe, na gut. Eine
grüne Insel durchfahren wir, sonst ist ja
alles Wüste.
CABALLOS POR PASSEO stehen da, schon gesattelt.
Dann wird es hart, wir kommen in die Slums.
Wären wir Touristen hier zu Fuß
unterwegs, würden wir nicht lange leben. Ich
sah ein schwarzes Mädchen in Lumpen gekleidet,
die so schwarz oder grau wie sie selbst waren. Es
sah aus wie ein Inferno, die Häuserfronten
rußig, als ob nachts die Höllenfeuer
loderten, ohne Quatsch.
Kurz darauf steigen wir aus und gehen über
einen Markt Richtung Innenstadt, Schuhe, billige
Kleidung. Betty will 100 Minnies (Minni-Maus als
Kinderhandtasche) kaufen. Das Zentrum ist ein
Markt. Straßenhändler, Kitsch,
Kassetten-Verkäufer, Taumel, Durst.
Der Taxifahrer hält mich wieder mal für
Pavarotti, der gleichzeitig mit mir in Lima ankam.
Wir fahren nach Barranco, dem Künstlerviertel
von Lima. Wir gehen in Fernandos Stammlokal und der
Wirt begrüßt ihn mit Handschlag.
Fernando verkehrt seit frühester Jugend bei
Juanito. Eine Bodega in Familienbesitz, seit
Ewigkeiten unverändert.
Bier vom Pitcher - Jarra (Krug). Vorbei am
"Malereiministerium", dem Haus des
größten lebenden peruanischen Malers:
Fernando de Szyzlo, noch nie von gehört, und
an der Burg von Vargas Llosa.
Nach Hause. Tiefschlaf.
Am Montag, den 9.1., mit nicht gekannter
Erfrischung erwacht. Ich rufe Fernando an, haue ihn
aus den Federn. Er geht mit mir AMEXCO Schecks
wechseln, das ist in Lima gar nicht so einfach.
Erst die 3. Bank, die Banco Credito, bietet im 2.
Stock diesen Service an und hier muss man noch drei
Instanzen durchlaufen. Wir nehmen einen Cafe
Cortado (mit Milch) im Cafe Haiti,
anschließend in Papier- und Malerläden,
kaufen Blumen, denn ich bin bei seinen Eltern zum
Essen eingeladen.
Olga, die Haushaltshilfe (sie will zu ihrer
Verwandtschaft nach Kanada auswandern), steht
bereits in der Küche, sie macht uns Limonade,
sie kocht kreolisch (Hühnerfrikassee in einer
Sauce aus Milch, Nüssen, Knoblauch, Brot,
Parmesan ...).
Den Knoblauch kann man im Supermarkt, in
Plastiktüten, bereits geschält, kaufen.
Fernando reicht Scotch on the Rocks als Aperitiv.
Ich lerne seine Mutter und die Geschwister Alex und
Lucia kennen, liebenswerte Menschen.
Betty hat vor Jahren in Barcelona einen Fotografen
kennen gelernt, einen gewissen Vargas. Er hat sie
natürlich abgelichtet, hat ihr die
versprochenen Abzüge jedoch nie zugeschickt.
Jetzt, hier in Peru, zeigt ihr Alex eine
Fotozeitschrift: BETTY-HALBAKT VON VARGAS. Kannste
mal wieder sehn! Alex studiert übrigens
Fotografie.
Der erste Gang ist der Stolz der peruanischen
Küche, CEVICHE: Roher Fisch, in diesem Fall
Forelle und Seezunge, wird kurz in Limonensaft (die
größeren, nicht so milden Limonen werden
bevorzugt) mariniert, dann vermischt mit roten
Cillischoten, Salz, Petersilie und
Korianderblättern, Knoblauch (darf auch
weggelassen werden) und roter Zwiebel. Dazu werden
gekochte Kartoffeln und sehr große
geröstete Maiskörner gereicht.
Wir trinken Bier und italienischen Pinot Grigio,
Pisco, jung und alt, Kaffee. Als Dessert werden
Mangos und Schokoladenkuchen gereicht.
Un paseo al mar.
Durch ein malerisches kleines Viertel, ein
ehemaliges Slum, das Betty auf Wunsch der Familie
Bryce immer meiden sollte. Hellblaue und rosa
Häuser, kleine Läden, eine kleine
Taberna. Fußball spielende Kinder wie
seinerzeit in der Witzlebenstraße. Runter zur
Costa Verde, Füße ins Meer.
Schaum-Schmutz.
Ein etwa 4jähriger Junge pinkelt in eine
Plastikflasche, riecht erst mal, gibt etwas Sand
rein, schüttelt, klatscht die Masse auf einen
Stein, grad wie ein europäischer
Performancekünstler.
Wir gehen ins "LA ROSA NAUTICA". Belle Epoche.
Obwohl wir nicht fein gekleidet sind, haben wir als
Weiße kein Problem rein zu kommen. Ich
äußere Fernando gegenüber, dass
WHITE TRASH in Peru anscheinend nicht existiert. Er
bestätigt meine Annahme. Die Hippies
früher waren so was, sagt er.
Reiche Mestizinnen halten Kaffeeklatsch. Man kann
die Surfer beobachten. Slot Machines, 11 Soles
verspielt. Wir besuchen Fernandos Ausstellung, er
ist frustriert, weil er noch kein Bild verkauft
hat. Unterwegs, im Supermarkt (wie in den U.S.A.),
kaufen wir Bier.
Wir besuchen Gilda Mantilla und Rodrigo Quijano.
Gilda malt. Ein Bild von ihr "Die Idee der Frau"
hat es mir angetan, ich will es kaufen. Gilda ist
eine schöne spanische Frau. Ihr Freund Rodrigo
ist ein alter Kumpel von Fernando, er ist Poet. Er
lebt vom Journalismus. Sie wohnen in einem
Apartment im 8. Stock. Wir trinken, rauchen. Ein
Fotoband, indianischer Fotograf aus Cuzco, super
Fotos. Kann ich Fotokopien haben?
Wir gehen Pizza essen. Betty fühlt sich nicht
gut und geht mit Fernando heim. Gilda, Rodrigo und
ich fahren mit Rodrigos Käfer noch zu Juanito
nach Barranco, trinken noch 3 Jarras, unterhalten
uns angeregt. Gilda hat einen sehr schönen
Mund.
Ein Freund, auch Poet, setzt sich zu uns, Domingo.
Voller Stolz zeigt er uns ein Bändchen, seine
Erstveröffentlichung: IL PASTOR DE LOS PERROS.
Wir verabschieden uns mit der gegenseitigen
Absichtserklärung, uns bald wieder sehen zu
wollen.
10.1.1995
Rodrigo holt mich im Hotel ab. Wir fahren zu
Fernando.
Ich habe die Malsachen dabei, will CESAR VALLEJO,
Fernandos Straße, malen. Ich tue es auch.
Kinder umringen mich, die Müllmänner sind
sympathisches Publikum. Einer sitzt oben auf dem
Lastwagen, noch im Davonfahren winkt er mir zu. Das
Bild gelingt. Jeder ist angetan. Ich fühle
mich wie immer nach einem gelungenen Bild
erleichtert.
Staffeleirestaurierung! Sie hat während des
Fluges sehr gelitten.
Fernando bringt mich zu seinem alten Friseur nach
Miraflores, teilnahmslos lasse ich mir die Haare
schneiden. Bevor ich's vergesse, ein Foto haben wir
gemacht: Ich in der Hundehütte des
verstorbenen Bryce'schen Hundes, es war eine Dogge.
Cafe, China Restaurant, Cafe Haiti, Bodega, Bett.
Gute Nacht.
Sitze 9 Uhr morgens im Cafe gegenüber der
Banco de Credito und warte, dass sie öffnet.
Es ist die einzige Bank, die meine Reiseschecks
einlöst. Wollen heute mit der Strandgaleristin
(Fernanda) nach Punta Hermosa in deren Hotel
fahren. Ich bin sehr skeptisch, es ist ziemlich
teuer und ob sie wirklich was abkauft, wage ich zu
bezweifeln. Es gibt hier in Lima fast keine
Touristen, man erkennt sie ja sofort, die Touristen
sind alle in Cuzco ...
Das mit der Bank hat geklappt, sitze nun auf einer
Bank, schattig. Im Parque Kennedy. Weiter hetzen,
keine Zeit, Termine.
12.1.1995
Raus aus dem Hotel, mit dem Taxi zu Fernando, mit
dem Taxi zurück in die City, Fernanda ist da,
hinten auf dem Pick Up nach Punta Hermosa.
Es gibt keine Post, die Frau, die die Post gemacht
hat, wurde vom Ministerium nicht mehr bezahlt. Hab
noch keinen Briefkasten, kein Postamt gesehen. Es
werden keine Ansichtskarten verkauft, man
telefoniert. Die Idee, Betty vor einer roten Wand
(Bodega) zu malen.
Calamares, baden im Pazifik, Sunset, Paseo,
Galerie... Cerveza en Terazza. Buenas Noches.
13.1.1995
Betty tatsächlich vor der roten Wand gemalt.
In der Bodega Elvita. Betty ist trotz oder wegen
der sehr reduzierten Technik gut getroffen. Baden,
fressen, saufen, Urlaub.
Hostal gemalt, Casa Barco, na ja. Fressen, saufen,
rauchen, Disco.
Ich scheiße in die Hose, Josefa. Einige
Discos in Peru haben ein besonderes Flair, die
Türsteher tragen Uzzis.
14.1.1995
Alex holt uns mit seinem Freund ab (er sieht sehr
dt. aus). Fahren nach Salinas. Ein weiteres Bild
entsteht, 35x50 cm. Ich muss mich sehr beeilen,
eine Bande Kinder belagert meinen Malkasten.
Ich sage: "NON TOCHAR", da lachen sie bloß
und singen "WIR SIND PIRANHAS!" (so nennen sich die
marodierenden Kinderbanden). So schlimm wie in
Brasilien scheint es nicht zu sein, die Kinder
werden nicht von der Polizei erschossen.
Lebe hier in der Scheinwelt der Reichen. Es ist
nicht der Mangel an Nahrung, der den gravierenden
Unterschied ausmacht. So ein verschlissener Begriff
wie Menschenwürde bekommt neue Bedeutung. Die
selbstverständliche Unterordnung der
Prä-Columbianischen Menschen. Nehme an, dass
das in Cuzco anders ist.
Abschweifung: So lange Scheiße malen, bis
Gold entsteht. Ständig malen. Die Flamme des
Alchimisten darf nicht ausgehen.
1 Portion
5 Soles (3,50)
Rinderherz vom Grill
Restaurant Video Grill
15.1.1995
Ich begebe mich ins Haiti und wer sitzt da? Rodrigo
und Gilda. Das Mädchen wird immer
hübscher, natürlich auch, weil ihre
Jugend und Art mich an Eva erinnert, die leider
Gottes ständig bei mir ist.
Nachmittags bei Mariella, ihre Eltern sind am
Strand. Sie lädt zum Essen in deren Haus.
Superreich, Swimmingpool, nur Künstler sind
da. Marcella, sie malt. Ihre Schwester,
Architektin, hat bei Fernandos Vater studiert.
Suzanna, noch so ein junges Mädel, malt
auch:
"Terroristen haben ein Loch in unser Haus
gesprengt,
mit einer Bombe.
Das Loch sah aus wie ein Herz.
Ich hab mich schön angezogen,
weil ich dachte, es kommt das Fernsehen,
aber es kam nicht."
Ihr Freund, Kunstkritiker aus Buenos Aires,
Mirko, ein in Lima bekannter Maler, schöner
Mann,
Will evtl. Prinzenrolle von Fernando kaufen.
Rodrigo - schreibt ja auch über Kunst.
Betty, Fernando und meine Wenigkeit.
Centro de Lima. Verlassen, die einst vornehmste
Straße Limas. Ein Hostal in einem etwas
heruntergekommenen Palast, Zimmer schon für 8
Soles (6 Mark). Noch eine Kanne Bier mit R. G. F.
B. Müde. Buenas noches.
16.1.1995
Heute gemalt in Medalla Milagrosa.
Die Kids haben mich fast aufgefressen, 20
ständig dicht dran. Tuben aufschrauben, in den
Dreck schmeißen. Dann wieder ein Stein auf
die Leinwand, ich brauche Nerven wie
Drahtseile.
Habe das Bild (wie so oft falsch datiert) aber
stoisch, fatalistisch zu Ende gemalt und bin mit
manchen Stellen recht zufrieden.
Warte gerade vergeblich im Haiti auf Fernando, wir
wollten doch kochen bei Rodrigo. Morgen Abend soll
es mit dem Bus nach Arequipa gehen. Der teuerste
Bus braucht 13 Stunden.
17.1.1995
Reise vertagt, Fernando muss kotzen. War etwas zu
viel für ihn, all die Anstrengungen und
Aufregungen der letzten Zeit. Gestern
Abendessen.
Dieser Kunstkritiker, Jorge (Horche), kam vorbei,
sieht ein bisschen aus wie Buchhändler
Jürgen, dürr. Er holt erst mal ein
GATORADE aus der Aktenmappe. Sehr gebildet, war
jahrelang in England, aber sehr erkennbar ein
Papiermensch: "Ich soll da ein Interview mit einer
Moskauer Fotografin machen, sehr jung, 24 Jahre,
sie ist die Freundin von David Byrne, ich meine,
wie komme ich dazu mit der ein Interview zu
machen?" "You interview her because she fucks David
Byrne!", konnte ich da nur drauf sagen. Ein Plakat
an der Kühlschranktür. Name des Malers
wird nachgereicht.
18.1.1995
2 Museen besucht.
1. Larco Herrera, für Keramiken.
Besonders die erotischen sind ja bekannt.
2. Museo Nacional Antropologico.
Nettes Modell von Maccu Picu, 2 Vernissagen
besucht.
Die kleine Suzanna wiedergesehen, sie trug ein
kleines Mädchen in den Armen: "Das ist meine
Puppe." Die Suzanna ist eine Marke!
Rodrigo und Gilda. Gilda ist so zurückhaltend,
das Gegenteil von Suzanna, Josefa hat schon Recht:
"Here is still the good girl and the bad girl. The
good girl is to marry, and the bad girl is to
fuck."
Gilda is a good girl.

Gilda
Mir ist
hier nicht mehr Machismo begegnet als in
Deutschland, dafür sehr viel mehr romantische
Verliebtheit. War vorhin wieder im Parque del Amor,
die nehmen es wirklich ernst mit der Liebe.
Ich durfte Fernandos Tante kennen lernen. Sie ist
72 Jahre alt und genau so wie man sich eine
südamerikanische Dame vorstellt, raucht viel,
trinkt Whiskey. Sie muss einmal eine sehr aparte
Erscheinung gewesen sein. Sie ist Liebhaberin
deutscher Musik, die italienische Oper gilt ihr gar
nichts, darum hätte sie auch keinen Sol
ausgegeben, um Pavarotti zu sehen. Nein, ihr Traum
wäre es den Tristan in Bayreuth zu sehen.
Sie erzählt von ALTEN ZEITEN. Hat in den 20er
Jahren an der Plaza San Martin im Zentrum gewohnt,
als es da noch die vornehmen Cafes gab, an denen
mit Früchten beladene Esel vorbeigeführt
wurden. Sie denkt mit Wehmut an die Tage, als ihr
Vater dort Bankdirektor war, er nahm in seiner Bank
nur Münzen an, die blitzblank poliert waren.
Und jetzt, sagt sie, ist das Zentrum von Lima ein
Desaster. Sie hat recht, die Paläste stehen
leer und man kann angeblich eine Wohnung für
2000,- DM kaufen.
Ist das symptomatisch für den Untergang der
Herrschaft der Weißen? Die Erben der
Conquistatores scheinen nur wenige produktive
Fähigkeiten zu haben. Die JOLOS wirken auf
mich erfindungsreicher. Fernandos Tante
ernährt sich von Nudeln mit Butter. Sie ist
arm.
19.1.1995
Bild gemalt. Costa Verde, Küstenstraße,
Hochhäuser im Vordergrund ein
Fußballplatz ... (das Bild hat Konrad
Kügel gekauft)
Sitze in der Billig Bodega.
Einer kommt mit einem Sammel-Karton. Er hat einen
Bergarbeiterhelm auf und ich verstehe, er sammelt
Geld für Mineros, Bergarbeiter.
Laut Reiseführer haben die den härtesten
Job, kauen pro Tag 1 Pfund Coca Blätter.
20.1.1995
Im Himmel
Es ist dort alles weiß,
sogar die Feuerwehrautos sind weiß.
Die rote Ampel ist nicht ganz weiß,
aber es ist ein ganz helles Rot.
Und die Ampel wird immer dann rot
wenn man es sich wünscht,
wenn eine ganz nette Frau in ihrem Auto
ankommt,
wie eine Mutter,
die einem ganz viel abkauft
und sogar noch Geld schenkt,
das man behalten darf
und für das man sich was kaufen kann.
Die Frau ist schön wie die Muttergottes,
Maria.
Meine Freundin hatte eine Jungfrau Maria aus
Plastik,
auf die hat sie manchmal geweint
und dann war die ganz nass,
weil meine Freundin krank war und dann gestorben
ist,
Und die Muttergottes hat ihr ihre Mama mit ins Grab
gelegt,
damit sie dort auf sie aufpasst,
und sie ist jetzt dort wo die Autos so gut
riechen
wie Seife und Waschmittel.
Zurück in unsere Welt, in die Welt der
Reichen. Der Dünnschiss hat mich ans Bett
gefesselt. Bin Nachmittags dann doch aus dem Hotel,
mit dem Taxi zur Post. Fühle mich absolut
schwach. Trinke jetzt Tee im Cafe Schweiz. Die
Toiletten sind für Lima super. Es hängt
eine Inspektionsliste an der Tür, in die sich
jeder Putzer eintragen muss.
Im Cafe Schweden sind nur die Preise vornehm, die
Klos nicht. Im Haiti gehe ich lieber nicht aufs
Klo.
21.1.1995
Sonntag, wir fahren heute nach Punta Hermosa. Ich
bin um 9 Uhr aufgestanden und wie verabredet um 10
Uhr in Haiti. Um 11 Uhr ist noch kein Schwanz da.
Ich ruf an: "Ja, wir haben verschlafen, aber unsere
Eltern fahren uns hin." Okay.
Am Abend im P.H. ist die Ausstellung von Josefa.
Mit einem Tänzer und einer Tänzerin aus
der Schule von Morella Petrozzi: "I have a dancing
school (centro da danza), my mother was a
ballerina, I made my BFA in Michigan and my MFA in
New York." Sie ist mit ihrer Lebensgefährtin
da, die neben der Tanzschule ein Cafe betreibt.
Dienstag wollen wir mal vorbeischauen.
Am späteren Abend in Lima, eine Party bei
Moiko. Er hat ein wunderschönes Haus mit einem
wunderschönen Garten (Dschungel). Die gleiche
Besetzung wie immer: Mariella, Gustavo, der
argentinische Kritiker, Suzanna, Rodrigo, die
angeb. Gilda (ich trau mich gar nicht mehr sie
anzusehen), Jorge.
Außerdem ein Medizinmann, unter seiner
Anleitung kann man ein Halluzinogen einnehmen, das
aus einer Dschungelliane gewonnen wird. Er bietet
diese Trips für 25 Dollar an, hat angeblich
eine Ausbildung dafür, da diese Droge auch
therapeutischen Einsatz findet. Therapeutisch find
ich okay, brauche aber im Moment keine Therapie.
Hab eh keine Böcke auf Halluzinogene, ich
nehme auch keinen Trip mehr!
Das Ganze wäre als Touristenattraktion
interessant, probieren geht über studieren.
Mich reuen auch die 25 Dollar und der Typ War so
ein Cleverle-Indiano, so ein
Nachbarschaftshaus-Gostenhof-Indianer.
Dann sind da noch ein supercooler New Yorker, der
sich für das letzte Coca-Cola vor der
Wüste hält und eine australische
Akupunkteuse. Es läuft die selbe CD, die auch
bei mir zuhause in Nürnberg aufliegt, Ry
Cooder & Ali Farka Toure, wird das nicht
langweilig? Wird das zur Welt-Langeweile?
22.1.1995
Downtown. Im Hotel Bolivar den Tagesteller: Lomo
Stroganoff a la Mensa. Die Bar ist dunkel,
wäre ein gutes Versteck für Knut
Näke, vergleichbar mit dem Hotel Europa in
Prag. Wer will in dieser nach Pisse stinkenden
Umgebung wohnen?
Fernando wird von einem Straßenräuber
die Sonnenbrille vom Kopf gerissen, so schnell,
dass ich es kaum wahrnehme, der Dieb, ein Junge,
sprintet davon. Eine Warnung aufzupassen. Bestohlen
zu werden hat immer etwas demütigendes.
23.1.1995
Die Hundehütte im Garten gemalt, wie so oft
mit 22.1. falsch datiert. Manolo ist da.
Aus Mangel an Lektüre ein Art-Heft über
New York gelesen, es könnte einem schlecht
werden. $$$.
24.1.1995
Der Textilmarkt von Lima in der Gegend von La
Victoria, einem üblen Viertel. Hier sollen die
Mieten und Grundstückspreise am höchsten
sein, obwohl es stinkt und der Straßenbelag
aus plattgewalzten Abfällen besteht. Hier wird
produziert und verkauft. Betty kauft Plüsch
ein. Eine Schneiderin wird aufgesucht, Theresa,
Josefa und Manolo sind dabei. Ein Hemd für
mich zu nähen, würde 10 Soles (7,50 DM)
kosten. Noch einmal in dieses Viertel? Es werden
auch Talismane und Amulette gehandelt.
Essensstände. Die Läden sind jeder
Installation eines Künstlers überlegen.
Schaufensterpuppen stehen aneinander gereiht in
engen, langen Gängen, man muss sich an ihnen
vorbeiquetschen, dazwischen steht dann auch mal ein
Mensch, eine surreale Angelegenheit. Angepinnt an
eine pinkfarbene Wand rings um ein Bildnis des
Herrn Jesu, ein Arrangement von Slips und
Damenstrümpfen
25.1.1995,
Mittwoch
Mit dem Mikro(bus) nach Punta Hermosa. Wut auf
diesen Geizkragen Felix, er kann in seiner eigenen
Kneipe keinen Wein ausgeben Bin selbst knapp bei
Kasse. Verdorbenes Sandwich gegessen in eben dieser
Kneipe La Rodonda, die ganze Nacht gekotzt und
geschissen.
26.1.1995,
Donnerstag
Lange geschlafen, um mich von der letzten Nacht zu
erholen, dann in die Neubau-Slums, um eine Bodega
zu malen, die orange getüncht ist. Verwende
dazu eine orange grundierte Leinwand. Bekommen die
Bilder durch die Nicht-Bewältigung der selbst
gestellten Aufgabe ihren Reiz? Bei Soutine habe ich
manchmal den Eindruck, es findet ein verzweifelter
Kampf zwischen der Vorstellung von einem Bild und
dem real entstehenden Bild statt. Also, das Bild
hat seinen Reiz. Sehr nette Reaktion der ganz
lieben Menschen, die dort leben.
3 Bananen auf dem Markt gekauft, 40 Pfennig, 8
Stück für 1 Sol.
Bananen sind super gegen Durchfall, jedenfalls
gegen den peruanischen.
SPANISCH
más tarde - später
ahora - jetzt
pronto - bald
mediodia - Mittag
ayer - gestern
27.1.1995
Badetag, Urlaubstag, Swimmingpool voll chicas. Jim
Avignon kommt an, ich bekomme den SPIEGEL und bin
glücklich. Ein Artikel über den Autor
Lettau, sein Buch FLUCHT VOR GÄSTEN hat eine
interessante Rezension.
28.
1.1995, Samstag
Zurück nach Lima, alleine. Fahre im KOMBI die
Benavides entlang Richtung Larco, vorbei an
Rodrigos Haus, sehe seinen Käfer stehen.
Tausche D-Mark. Kaufe einen Kodak Film für 9
Sol (7 Mark), 36 Aufnahmen 100 ASA GOLD. Ich kann
durch den Kauf des Filmes noch eine Disney Uhr
für 4 Sol ersehen, das weiß ich aus der
Fernsehwerbung, 4 verschiedene Motive aus dem
Zeichentrickfilm DER KÖNIG DER LÖWEN, ich
nehme die schönste.
Drei untergetauchte hübsche
Mestizen-Mädchen im Pool: "Hast du eigentlich
das schöne Kleid wieder mal angehabt?" "Ja, an
Weihnachten hab ich es angehabt." (Fernando hat mir
übersetzt)
Telefonieren zwecklos. Im Kennedy Park: Salsa.
Treffe Jim Avignon mit Manolo und Theresa im
Haiti.
21 Uhr. Bin solo unterwegs, im Micro nach Barranco.
Bin stolz, alles im Alleingang zu managen. Steige
an der richtigen Stelle aus, nehme einen "Pisco de
la casa" und ein Krüglein Bier bei Juanito und
sitze jetzt in einer kleinen Pizzeria. Will morgen
hier in Barranco malen, es ist so malerisch. In der
Buchhandlung gegenüber liegt ein Buch im
Schaufenster. Über die Alte Pinakothek in
München, der Umschlag zeigt: Dürers
Selbstportrait. Habe hier in meinem Büchlein
zusammen gefaltet den Plärrer-Titel mit mir
als Albrecht Dürer, wäre Stoff für
eine nette Anekdote.
Opus
War in der Salsa Disco,
geh wieder raus auf die Straße,
will mich besaufen.
walking
through the city 
steh an der Bar
und denk, wie soll das alles weiter gehn,
noch ein Pisco?
Ein großes BLAUES BILD
Voll besoffen - just - schöne Uhr -
walking the streets of Lima 
wie soll es weiter gehn
I walked the streets of ...
Wo las ich:
Wenn es sich zu leben lohnt,
dann für die Kunst
besoffen
Fremde in der Nacht 
ein Bass für Franco
Deutsche Zeitungen prophezeien Arbeitslosigkeit
Eben im Cafe Haiti DIE WELT
ARBEITSLOSE
Habe ich den richtigen Beruf?
Selbstzweifel
Möchte nie ein wichtigtuerischer
Schriftsteller sein.
Klugscheißer ist ein schönes Wort
der Chef ist klein und O-beinig
er ist der Chef
schöne Menschen sind die Ausnahme
saufen - sterben
schöne Uhr
gelb und schwarz auf braunem Arm
die kleine Form hält einen davon ab zum Punkt
zu
kommen
ein Witzchen hier, ein Witzchen da
möchte aber auch kein Klugscheißer
Wichtigtuer sein
War trotzdem gerührt
als sich die Leute in P. Hermosa gefreut haben,
dass ich ausgerechnet ihr Haus gemalt habe.
Wie der Inder: "What`s your name?"
besoffen
schöne Uhr
wie soll es weiter gehn?
SCHÖNER LEBEN
SCHÖNER SEIN
DARWIN
Hatte Darwin Kinder?
Nur wer 7 Sprachen fließend spricht hat eine
Chance
oder er ist schön
dann 5 Jahre
Surfen als Surrogat der MIDDLECLASS
Oh Rodrigo-
Sehnsucht nach Unschuld
unschuldige Menschen sind beruhigend
oder?
Hemingway war doch oft in Peru
- Lima ist ein Literarisches Pflaster
- Für Maler eher schwierig
- Wie Prag
INDISCHE MOTIVE
Jugend unschuldig mit Strohhalm
nicht nennen den Namen!
je später der Abend
ich muss pissen
aufgehen
zulangen
schöne Mädchen zu zweit ins nach Pisse
stinkende Klo
DAMAS
Schreibst du für dich ist es
überflüssig
Schreibst du für Leser dann lügst du
Kafka wusste über dieses Dilemma
FAUST ist Goethes bester Song.
Menschen begegnen Geld verdienen Mensch
Glaub ich bestell mir noch ein Bier
Notfalls schlaf ich im Park
will die Kunst so dumm halten wie ich kann
auf den Verstand des Herzens vertrauend
Zita
Rodrigo
Gilda
tampoco heißt genauso wenig
zu Eva hab ich gesagt:" Die Kunst soll den Menschen
die
Angst vor dem Tod nehmen
das stimmt nur bedingt
eigentlich soll die Kunst (ich)
den Menschen die Angst vor dem Leben nehmen
RELIGIO
Agatha Christie
Ich gehe am englischsprachigen Theater Limas
vorbei
nach der Vorstellung
ich liebe Agatha Christie
Toreros kämpfen vor Klopapierrollen
auf Plakaten
wie immer gegen den Stier
Amerika ein Abklatsch von Europa
Asien ist konträr
lupo del mar
die Katze
im Osten ist die Weisheit
geht ein Chinese gen Westen ist er im Osten
muss nach hause will aber nicht
ART PEN
schöne Uhr
werde sie an ein Kind verschenken
bin hier schön anonym
Sprüche des Vaters gehen mir durch den
Kopf
wird er noch leben wenn ich nach hause komme?
schön und nicht schön nebeneinander
wie schön!
Eifersucht?
Warum kommt Rodrigo nicht?
Morgen
29.1.1995
Bei Nadar auf der Geburtstagsparty. Er ist Maler,
in meinem Alter. Seine Eltern sind vor 40 Jahren
aus Syrien eingewandert. In ihrem Haus findet die
Party statt. Reich, protzig auf eine
bemitleidenswerte Art. Der Kitsch der
Türkenläden, etwas teurer, aber nicht
echt.
Madonnen der Hochrenaissance aus dem Holz der
Gründerzeitmöbel.
Es dreht sich ein Dönerspieß (Schawarma)
im Garten, wie ich es im Spaß prophezeit
hatte. Schmeckt gut.
Reichlich schöne Frauen, die sich reiche
Männer angeln wollen (ich sollte auch reich
werden), und reichlich Myers-Rum mit Cola.
Halb besoffen hauen wir mit Rodrigo, seinem Bruder
Piero und Gilda ab, gehen in eine Bierbar mit
Tanzfläche in Miraflores. Wir tanzen und
trinken Bier.
        
let the feet control your body
let the feet control your body
jumbo jumbo jumbo
al mar
        
ba ba ba
ba ba ba
30.1.1995
Leicht verkatert aufstehen um 13 Uhr,
male aber ein gutes Bild von einem Käfer.
Die Kinder der feineren Leute sind feiner.
Sie bringen mir einen Stuhl, sprechen englisch.
31.1.1995
Verabredung mit Alex. Er will Fotos machen,
während ich male. Barranco, Puente De Los
Suspiros. Schönes Bild, bin gespannt auf die
Fotos.
1.2.1995
Telefoniere mit Barbara, dass sie mir Kohle zur
Banco de Credito schickt. Gott sei dank habe ich
Fernando auf der Straße vor der
Telefongesellschaft getroffen, denn diese
Wild-West-Company (Technikchaos) will auch noch
betrügen. Ein Angestellter will mir eine
Minute, 8 Sol, zu viel berechnen, Fernando
protestiert, ich bekomme 8 Sol zurück.
Ich will auf der Höhe der
Kommunikationstechnik sein, wenn ich zurück in
Deutschland bin. Ich will FAX!
2.2.1995
Tagestrip nach Punta Hermosa mit Theresa, wir
fahren durch Barranco und das anschließende
Viertel (malerisch arm).
Ganz am Stadtrand in La Campiña liefert
Theresa Einladungen in einer Keramik-"Fabrik" ab.
Eine Töpferei wie im Jahr 2000 vor Christus.
Schlämmgruben im Boden, unter Bäumen
Haufen von fertigen Teilen. T. will mit diesem
Töpfer in der Galerie eine Installation
machen. Halte ich ausnahmsweise mal für eine
gute Idee. Würde ich selbst gerne gestalten.
Brauche ein neues Buch, glaub ich.
3.2.1995
Tagestrip nach Punta Hermosa. Am Strand mit Hund
gespielt.
4.2.1995
Radio Bar Party Ausstellung.
Finde morgens um 5 Uhr Polizeipfeife in
Miraflores.
Suzanna ist interessant ohne ihren Argentinier.
5.2.1995
Mit Rodrigo nach Chinatown in ein sehr chinesisches
Restaurant. Die kamen erst hier an aus China,
stehen auf fettes Fleisch und ranzigen Geschmack.
Vereinzelt finden sich Knochen im Speckreis. Der
durchschnittliche Chinese ist ein Ferkel. Und auch
in peruanischer Kost findet sich ein Haar, dann
denkt man sich nach Schweden oder beginnt
Industriekost zu goutieren.
Betty hat einen hysterischen Anfall. Wegen Jim
Avignon sagt sie. Okay.
Eine blattvergoldete Mülltonne?
Keine Angst vor Kitsch.
6.2.1995
Abends bei Leslie, das ist Fernandos Ex-Professor,
zum Essen. Fernando sagt, Leslie hat schon 2 Frauen
und ein Kind verloren. Hat momentan (ich sage)
Schönheitskönigin zur Freundin. 2 Kinder.
Er ist auch ein schöner Mann. Wird ganz netter
Abend. Seine Bilder hauen mich nicht um.
Das zweite Buch Peru
Das erste Buch Peru ist voll. 1. 95 - 6.2.95. Heute
ist also der 7.2.95 und da ist nicht viel
geschehen. Das Geld, das Barbara überwiesen
hat, ist angeblich morgen abzuholen, sagte man mir
auf der Bank. Will dann gleich ins Reisebüro
und einen Flug nach Cuzco kaufen (60 $). Lima
beginnt, langweilig zu werden. Ist ja
schließlich auch meine touristische Pflicht,
was zu sehn. Weg!
Up and away. Hab eben in Barranco auf einer
Parkbank den Krimi von Rodrigo ausgelesen: Kinky
Friedmann FREQUENT FLYER
tofu
matress für Futon.
If somebody dies in Austin they say "he goes to
Willie Nelsons house".
When you have been to America, its allways nice to
come back to New York.
As Geronimo said, in turning down the offer of a
Cadillac from the U.S. Gouvernment, "Man ride in
car - nobody looks. Man ride horse - everybody
looks."
The only funeral you´ve got the right to stop
the music, is your own, and that's a full-time
job.
8.2.1995
Die Datumsanzeige meiner Uhr ist einen halben Tag
hinterher, das Datum wechselt erst am Mittag;
könnte fatale Folgen haben, muss das gleich
ändern. Die Kohle ist angekommen, Barbara ist
wenigstens keine Trutsche! Bin erstaunt, dass es so
gut funktioniert, lass mir in Zukunft öfters
Geld überweisen, ha, ha.
Es ist übrigens Krieg. Die Ecuatorianer machen
Zoff an der Grenze, Verhandlungen haben nichts
gebracht. Scheint ein periodisches Spiel und
Ablenkungsmanöver der Militärs beider
Seiten zu sein, haben schließlich sehr unter
Drogenskandalen gelitten. Natürlich geht kein
weißer Soldat in diesen Krieg, das hat in
Peru Tradition. Nur als die Chilenen im letzten
Jahrhundert wirklich vor Lima standen, griffen auch
Weiße (Professoren, Geschäftsleute) zu
den Waffen, und sie feiern sich heute noch. Die
Armee besteht fast nur aus indianischen und
mestizischen Soldaten. Weiße findet man in
der Marine.
10.2.1995
Jetzt sitze ich also im Cafe WIRACOCHA mit der
"blauen Tür" und den blauen Fenstern und dem
netten Kellner alter Schule. Nachmittags trägt
er keinen Frack, dafür einen adretten
ärmellosen Pullover über dem weißen
Hemd. Hier scheint sich die Literaturszene
vorgerückten Alters zu treffen, Herren, die
Anzug und Krawatte tragen, richtig angenehm im
Vergleich zu den Govindas.
Gestern wollte ich gleich zurück nach Lima,
Cuzco ist wie eine Stadt in den welschen Alpen.
Massen von Touristen, Wanderer, die ich sowieso
nicht leiden kann, sie sind immer so stolz auf ihre
Leistung, zum Kotzen. Ich dagegen lebe wieder voll
ungesund. Gestern Nacht in der Kamikaze-Disco 50
Eier versoffen. 2 männliche, 1weibliche
Deutsche aus Schrobenhausen, der Stefan hat gleich
ein Mädel aufgerissen.
Rucksack-Kids laufen vorbei.
Ich will zurück nach Lima, Maccu Piccu habe
ich gestrichen.
Ein kleiner Junge vor dem Fenster, er zeigt mir
Postkarten, ich winke ihn rein und kaufe ihm zwei
ab. Mir brummt der Schädel und hinter mir
sitzt ein Mädel, mit ihrem Freund, ein
Schweizer. Ich geh jetzt das Ticket kaufen.
11.2.1995
Habe das Ticket gekauft, Domingo 7.50 Uhr nach
Lima. Das südamerikanische Rothenburg vermag
mich nicht zu fesseln. Können Dinge durch zu
viele Betrachter uninteressant werden? Ist
außerdem teuer, Sightseeing hier. Ein
Fußballspiel hätte ich mir gerne
angesehen, es gibt ein Stadion. Mit der
indianischen Kultur kann ich überhaupt nichts
anfangen, lasse mich auch nicht richtig darauf ein.
In der Disco war ein
Nachbarschaftshaus-Gostenhof-Indianer, fragt mich:
"What do you want in this country?" Ein Indianer in
der Disco. Ich sage: "Dancing".
Irgendwie ist mir alles zu schön hier, ich
kann absolut kein Geheimnis sehen, es ist wie Fotos
betrachten.
Wenn ich dagegen an die Kirche in Lima denke, die
in keinem Reiseführer steht, mit den Aquarien
in der Weihnachtskrippe! Außerdem friere ich
des Nachts, und die dünne Luft bekommt mir
auch nicht.
Jetzt bin ich bei meinem Spaziergang durch Cuzco in
der QUINTQ ZARATE gelandet. Durch einen
spanisch-maurischen Innenhof gelangt man auf
überdachte Terrassen, die mit Andenflora
überwachsen sind. Scheint ein beliebtes Lokal
bei den Einheimischen zu sein. Überhaupt, es
ist wie überall, ein paar Straßen ab vom
Schuss und die Rucksackarschlöcher sind nicht
mehr zu sehen. War ja selbst mal mit dem Rucksack
unterwegs.
Eben ein gewebtes Band von einer netten
Indianerfrau gekauft, cirka 6 Mark, für einen
Tag Arbeit.
12.2.1995
Sitze am Airport Cuzco. Habe eben im Hotel noch
einen Ami getroffen, der hier in der Gegend junge
Bullen aufkauft und nach Lima schafft. Dort werden
sie bis zum Schlachten noch 90 Tage gemästet.
Bis Lima sind sie 2 Tage im Camion unterwegs.
Abends Trockensuppe bei Fernando.
13.2.1995
Punta Hermosa, ein uninspiriertes Bild wird
übermalt.
14.2.1995
Punta Hermosa, selbige Leinwand wird gereinigt und
der Swimmingpool von Casa Barco wird gemalt,
allerdings ohne Chicas, ich verspreche ihnen das
nachzuholen. Schaue auf dem Heimweg bei Rodrigo
vorbei und treffe Betty und Fernando dort an. Kaufe
Wein und Bier und Schimmelkäse.
Ein chilenischer Freund und dessen Freundin Fortuna
(die Schlange) sind da. Erst war sie hübsch,
als sie dann blau wurde, sah sie wild und
gefährlich aus. Alle zusammen, es ist
Valentinstag, nach Barranco, ins Lima Antiqua,
weitersaufen.
4 Uhr morgens nach Hause. Und jetzt 5000 Küsse
im PARQUE DEL AMOR: Ich muss sparen.
15.2.1995
Hans Platschek zitiert in der FAZ vom 10.2.
Nietzsche, in einem Beitrag zum 60. von Konrad
Klapheck.
Zu Klaphecks Kleiderordnung aus MENSCHLICHES,
ALLZUMENSCHLICHES. Absatz 175:
"Die Mediokrität ist die glücklichste
Maske, die der überlegene Geist tragen kann,
weil sie die große Menge, das heißt die
Mediokren, nicht an Maskierung denken lässt:
und doch nimmt er sie gerade ihretwegen vor - um
sie nicht zu reizen, ja nicht selten aus Mitleid
und Güte."
Ich fahre jetzt nach Punta Hermosa, um zu malen und
zu sparen. Weia!
21.2.1995
Was ist inzwischen passiert? Am 17. war
Abschiedstreffen bei Fernando, etwas lau, aber
anschließend mit Gustavo und Raoul Mondragon
unterwegs gewesen. Geld ausgegeben, die Peruaner
haben keins und wenn, dann rücken sie es nicht
raus.
Am 18. spät aus dem Bett, Mate gekaut,
arrogant wie Sau. Flachmann Rum in Barranco. Am 19.
die Wahl zur Miss-Bikini-1995 in Punta Rochas. Hat
all meine Restkräfte mobilisiert.
20. In Punta Hermosa herumgeärgert, wollen
Bilder für 100 Dollar.
21. Pleite wie Sau, 18$ Flughafensteuer! Bild als
Gastgeschenk für Familie Bryce gemalt. Murat
schuldet mir 20$.
Soll ich morgen wirklich noch nach Punta H., oder
in Lima noch ein gutes Bild malen? Ich glaub, ich
werfe `ne Münze.
Ein neues Zeitalter soll anbrechen:
Die Bevölkerungsexplosion
Wird durch autoerotische Sexualität
gestoppt,
feste Beziehungen gelten als unanständig.
Teppichböden sind unter Androhung harter
Strafen
Verboten.
Der mit dem geringsten Aufwand am besten lebt, wird
als Volksheld verehrt.
Der Mann dominiert die Frau, außer die Frau
schreibt ihre eigene Geschichte.
Die Polizei ist allerdings rein weiblich, und die
Wände der Polizeiwachen sind alle mit rotem
Samt bespannt.
Es gilt der Körper als sexy, dem etwas
Pathologisches anhaftet.
In der Kunst bleibt alles beim Alten.
Fernseh-Trash gilt als Kunstform und die geilsten
TV-Schlampen ersetzen die Madonnen
(Madonna ist doch eine Schlampe).
Strebsame, fleißige, geldgierige und
machtgeile Menschen werden gezüchtet. Sie
entwickeln Flugzeuge und Elektronikschrott.
In jedes Haus ein Hund.
Hier brechen die Aufzeichnungen ab.
|